06.02.2017

VBE fordert mehr Geld für Gelingensbedingungen bei der Kooperation Kita-
Grundschule

BILDUNGSQUALITÄT BEGINNT MIT WERTSCHÄTZUNG

VBE Landesvorsitzender Franz-Josef Meyer beim 22. Grundschultag in Cloppenburg

 
 

"Wer kurzfristig 200 Millionen für den beitragsfreien Kindergarten ausgeben kann, muss auch genügend Geld für eine qualitative Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kitas und Entlastung der Grundschullehrkräfte durch bessere Bezahlung, Senkung der Regelstundenzahl und Anhebung der Anrechnungsstunden für besondere Belastungen u.a. für die Kooperation Kita - Grundschule bereitstellen können", so Meyer vor mehr als 220 Zuhörern beim Grundschultag in Cloppenburg als zentrale Forderung an die rot-grüne Landesregierung.

Neben Kultusministerin Heiligenstadt, mehreren Landtagsabgeordneten und Lehrkräften kann Niels Logemann, Leiter des Kompetenzzentrums für Lehrerfortbildung der Uni Vechta und Mitorganisator der Tagung mehr als 100 MitarbeiterInnen aus den vorschulischen Einrichtungen und Auszubildende zum Erzieherberuf begrüßen.
"Diese große Zahl zeigt, dass es ein großer Bedarf an gemeinsamer Fortbildung von Mitarbeitern in Kitas und den Grundschulen besteht".
Bildung der Kinder von 0-10 Jahren soll in Niedersachsen ohne institutionelle Brüche, also "unter einem Dach" gestaltet werden. Für eine enge Zusammenarbeit von Kita und Grundschule ist die Wertschätzung der Tätigkeit der jeweiligen Einrichtung, ein gemeinsames Bildungsverständnis und eine abgestimmte Gestaltung von anschlussfähigen Bildungsprozessen im Übergang unerlässlich.

Doch Meyer zeigt sich besorgt: "Wie soll ein gemeinsames Bildungsverständnis entstehen, wenn Kitas und Grundschule in ihren Einrichtungen verharren und Gemeinsamkeiten sich aus Zeitmangel auf organisatorische Absprachen hinsichtlich der Sprachförderung vor der Einschulung oder dem Kindergartenbesuch in der Grundschule beschränken?" Wertschätzung entstehe z.B. durch regelmäßigen Austausch über pädagogische Konzeptionen, Durchführung gemeinsamer Fortbildungen, und gegenseitiger Hospitationen.

An die Ministerin gewandt fordert Meyer:
"Wertschätzung bedeutet aber auch, für mehr Entlastung für Erzieherinnen und Grundschullehrkräfte durch mehr Zeit für diese Aufgaben zu sorgen. Die Überbeanspruchung durch Umsetzung der Inklusion, durch Integration von Flüchtlingskindern, durch Sprachfördermaßnahmen muss endlich honoriert werden".


Nachfolgend der komplette Redetext:

22. Grundschultag am 06.02.2017, Kreishaus Cloppenburg

Begrüßung durch Planungsgruppe / Einführung in die Thematik
Franz-Josef Meyer, Landesvorsitzender, VBE Niedersachen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
meine Damen und Herren,

beim heutigen Thema geht es um Gelingensbedingungen beim Übergang von der Kita in die Grundschule.
Dazu haben wir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der vorschulischen Einrichtungen besonders gern eingeladen.  Wir freuen sehr, dass zur heutigen Veranstaltung über 100 Teilnehmer aus dem vorschulischen Bereich gekommen sind.
Dazu zählen Erzieherinnen und Erzieher, aber auch viele Auszubildende für den Erzieherberuf. Das ist etwa die Hälfte aller Anwesenden. Seien Sie uns herzlich willkommen.
Diese große Zahl zeigt auch, dass es einen großen Bedarf an gemeinsamer Fortbildung von Mitarbeitern in Kitas und den Grundschulen gibt.
Die Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule ist sowohl im KiTa-Gesetz als auch im Erlass über die Arbeit in der Grundschule gesetzlich verankert.
Bildung für Kinder von 0-10 Jahren soll in Niedersachsen kindgerecht, flexibel und ohne institutionelle Brüche - also "unter einem Dach" gestaltet werden. Frau Heiligenstadt wird sicherlich später in ihrem Vortrag näher darauf eingehen.
Voraussetzung für das Erreichen dieses Zieles ist, dass die Kita und Grundschule eng zusammenarbeiten und die Eltern der Kinder einbinden. Grundlage dafür ist die Wertschätzung der Tätigkeit der jeweiligen Einrichtung, ein gemeinsames Bildungsverständnis und eine zwischen Kindertagesstätte und Grundschule abgestimmte Gestaltung von anschlussfähigen Bildungsprozessen im Übergang vom Elementar- in den Primarbereich.
Gerade in der aktuellen Situation mit vielen Kindern ohne oder geringen Deutschkenntnissen in Kitas und Grundschulen und der Umsetzung der Inklusion ist eine enge Verzahnung der pädagogischen Arbeit in Kindertagesstätten und Grundschulen notwendiger denn je.
Im Hauptvortrag wird Prof. Dr. Petra Hanke über anschlussfähige Bildungsprozesse insbesondere im Kontext der Inklusion ausführlich referieren.

Doch wie sieht die Realität aus?

Wie sieht es mit der gegenseitigen Wertschätzung aus?
Gibt es ein gemeinsames Bildungsverständnis?
Sind institutionelle Brüche überwunden?
Gibt es anschlussfähige Bildungsprozesse?

Initiativen und Modellvorhaben seitens des Kultusministeriums zu einer besseren Verzahnung der pädagogischen Arbeit von Kitas und Grundschule gab und gibt es landesweit. Ich erinnere an das Projekt "Brückenjahr" (beendet 2011), das Modellvorhaben "Kita und Grundschule unter einem Dach" (beendet 2015) und neu sind seit 2016 die "Konsultationsverbünde" aus Kita und Grundschule an acht Standorten in Niedersachsen.
Tolle Projekte und sicherlich an den ausgewählten Standorten auch erfolgreich, da mit zusätzlichen personellen und finanziellen Ressourcen unterstützt.
Mein Eindruck ist, dass diese Modellvorhaben außerhalb der Projektstandorte weder nachhaltig wirken noch zu einer spürbaren Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Kita und Grundschule geführt haben.
Nicht ohne Grund widmet sich die Bildungsregion Vechta in ihrem ersten Vorhaben dem Übergang Kindergarten-Grundschule, weil die Schulen und Kitas dort großen Handlungsbedarf sehen.

Bildungsqualität beginnt mit Wertschätzung.

Wie soll ein gemeinsames Bildungsverständnis entstehen, wenn Kitas und Grundschule in ihren Einrichtungen verharren und Gemeinsamkeiten sich aus Zeitmangel auf organisatorische Absprachen hinsichtlich der Sprachförderung vor der Einschulung oder dem Kindergartenbesuch in der Grundschule beschränken.
Wertschätzung entsteht durch regelmäßigen Austausch über pädagogische Konzeptionen, Durchführung gemeinsamer Fortbildungen, und gegenseitiger Hospitationen.
Dann kann ein gemeinsames Bildungsverständnis vereinbart werden,
dann können gemeinsame Dokumentationsverfahren zur individuellen (Lern)-Entwicklung festgelegt werden,
dann können Übergangsangebote gestaltet werden, die an den Interessen des Kindes orientiert anschlussfähige Bildungsprozesse ermöglichen.

Doch für all diese Aufgaben brauchen wir Zeit. Zeit, die wir nicht haben.

Frau Ministerin,
Sie beschreiben in Ihrem Infoblatt zur "Zusammenarbeit Kindertagesstätte und Grundschule" warum diese Kooperation so wichtig ist. Sie schreiben aber nicht, woher die Kita-Mitarbeiter und die Grundschullehrkräfte die Zeit nehmen sollen, um all diese wichtigen und notwendigen Vorhaben umzusetzen.

Frau Ministerin,
Wertschätzung bedeutet auch, für mehr Entlastung für Erzieherinnen und Grundschullehrkräfte durch mehr Zeit für diese Aufgaben zu sorgen.
Die Überbeanspruchung durch Umsetzung der Inklusion, durch Integration von Flüchtlingskindern, durch Sprachfördermaßnahmen muss endlich honoriert werden.
Mehr Zeit durch Entlastungsstunden, mehr Zeit durch mehr Personal, mehr Zeit durch Anrechnungsstunden für die Zusammenarbeit Kita Grundschule - das sind Zeichen der Wertschätzung.
An den Finanzen kann es ja wohl nicht scheitern.
Als die Flüchtlingswelle über das Land kam, standen kurzfristig genügend finanzielle Mittel für die Sprachförderung zur Verfügung.
Jährlich werden nun kurzfristig 200 Millionen für das beitragsfreie 1. und 2. Kindergartenjahr bereitgestellt. Darüber freuen sich die Eltern. Doch davon haben die Kitas nichts.
Wo bleibt das Geld für eine qualitative Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Kitas etwa durch eine bessere Betreuungsrelation oder bessere Raumstandards.
Wo bleibt das Geld für eine Entlastung der Grundschullehrkräfte durch bessere Bezahlung, Senkung der Regelstundenzahl oder Anhebung der Anrechnungsstunden für besondere Belastungen?
Die Zunahme der Quereinsteiger in den Schulen, die vielen Arbeitsverträge mit pädagogischen Mitarbeitern und Schulbegleitern sowie die zahlreichen unbesetzten Schulleiterstellen führen zu einer schleichenden Entprofessionalisierung des Lehreberufes.
Mittlerweile arbeitet in den Grundschulen mehr nicht ausgebildetes Personal als Lehrkräfte.

Frau Ministerin,
das dürfen wir nicht zulassen.
Ohne spürbare Entlastungen etwa durch Anrechnungsstunden oder mehr Leitungszeit an Grundschulen wird es nicht gehen.

Setzen Sie ein Zeichen der Wertschätzung.

Eine unserer Forderung seit Jahren (auch hier auf dem Grundschultag mehrmals vorgetragen - bisher aber ohne Erfolg:
Eine deutliche Erhöhung des Faktors für besondere Belastungen an Grundschulen, der immer noch mit 0,3 Lehrerstunden pro Klasse der niedrigste aller Schulformen ist.

Frau Ministerin,
setzen Sie sich für unsere Kindertagesstätten und Grundschulen ein!
Sie sind es wert.

-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

© Verband Bildung und Erziehung | Landesverband Niedersachsen | Raffaelstraße 4 | 30177 Hannover

Um unsere Webseite für Sie optimal zu gestalten und fortlaufend verbessern zu können, verwenden wir Cookies. Durch die weitere Nutzung der Webseite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu.
Mehr InformationenJa, ich stimme zu