Lehrkräfte & Gesundheit
 
 

Gesundheit und Wohlbefinden von Lehrkräften –
jeder kann etwas dafür tun

 
 

Befragt man Lehrkräfte nach ihren aktuellen gesundheitlichen Beschwerden, so berichten etwa 75 % von Nacken-, Rücken- oder Kreuzschmerzen und etwa 2/3 von ihnen von psychosomatischen Beeinträchtigungen wie Müdigkeit, Kopfschmerzen, Antriebslosigkeit, Schlaf- und Konzentrationsstörungen oder erhöhte Reizbarkeit. Der – auch im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung – hohe Anteil erlebter psychosomatischer und körperlicher Beschwerden bei Lehrkräften zeigt, dass die Beanspruchung der Lehrerinnen und Lehrer im Vergleich zu anderen Berufsgruppen als sehr hoch einzuschätzen ist (Bauer 2009) und belastet nicht nur die Betroffenen selbst sondern auch die Sozialsysteme erheblich. Die hohe Zahl subjektiv wahrgenommener Beschwerden sollte zudem alarmierend sein, weil Studien zeigen, dass sich die Gesundheit von Lehrkräfte maßgeblich auf die Unterrichtsqualität und damit auf den Lernerfolg der Schüler auswirkt (Hattie 2014).

Dieser Artikel soll nun einen Beitrag dazu leisten, dass Sie Ihre Gesundheit und Ihr Wohlbefinden in den Blick nehmen und vielfältige Ansätze aufzeigen, wie Sie etwas für Ihre Gesundheit tun können.

Gesundheit bezieht sich dabei nicht allein auf die Abwesenheit von Krankheit, sondern schließt als mehrdimensionales Phänomen das seelische, psychische und soziale Wohlbefinden ein. Die Gesundheit eines Menschen ist damit sowohl abhängig von dessen biologisch-genetischen Faktoren als auch von psychischen Faktoren, dem Gesundheitsverhalten und den sozialen Verhältnissen (u. a. Hurrelmann/Richter 2013, 139–146).

Biologische Faktoren von Gesundheit

Die körperliche Grundkonstitution hängt von genetischen Faktoren und biologischen Prozessen ab (z. B. Krankheitsveranlagung, Hormonstatus) und scheint somit zunächst wenig beeinflussbar. Doch jeder kann auch in diesem Bereich etwas dafür tun, gesund zu bleiben. So können regelmäßige Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen helfen, schwerwiegende Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und zu behandeln. Der Blutdruck – als ein erheblicher Risikofaktor für eine Vielzahl an Erkrankungen – sollte regelmäßig kontrolliert und gut eingestellt sein. Chronische Erkrankungen bedürfen einer kompetenten Behandlung und sind durch gutes Selbstmanagement positiv beeinflussbar. Auch das Ernstnehmen und Auskurieren einer leichteren Erkrankung (etwa eines grippalen Infekts), hilft dem Körper langfristig gesund zu bleiben. Eine gute eigene Körperwahrnehmung dient der Selbstfürsorge und fördert, Alarmzeichen des Körpers zu erkennen und dauerhaft mit seinem Körper gut umzugehen.

Kurze Übung zur Körperwahrnehmung:

Nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und setzen Sie sich entspannt auf einen Stuhl. Atmen Sie langsam ein und aus. Nun beginnen Sie eine gedankliche Reise durch Ihren Körper – am besten von oben nach unten: Wie geht es Ihrem Kopf, Hals und Nacken? Fühlen Sie irgendwo im Körper Verspannungen oder sind alle Muskeln entspannt? Haben Sie irgendwo Schmerzen? Wie geht es Ihren Organen – Lunge, Leber, Herz, Niere, Darm, Blase? Fühlen Sie eine Stelle im Körper, die gerade Aufmerksamkeit oder auch etwas anderes braucht? Nehmen Sie erst einmal nur alles wahr und entspannen Sie. Wenn Sie diese kleine Übung regelmäßig machen, werden Sie schnell tagesbezogene Unterschiede wahrnehmen und bewusster mit Ihrem Körper umgehen.

Psychoseelische Faktoren von Gesundheit:

Die hohe Zahl psychosomatischer Beeinträchtigungen bei Lehrkräften lässt sich zwar mit der großen Arbeitsbelastung erklären, jedoch führen diese in der Regel nur dann zu Problemen, wenn keine ausreichenden Bewältigungsstrategien vorliegen. Die psychische Widerstandsfähigkeit, mit der auf Belastungen angemessen reagiert werden kann (Resilenz), ein positiver Blick auf die Welt und das Leben, Selbstvertrauen, aber auch den Glauben daran, dass eine Tätigkeit sinnvoll und handhabbar sind, sind hier wesentliche gesundheitsförderliche Aspekte und durchaus bis ins hohe Alter erlernbar. Überprüfen Sie Ihren eigenen Anspruch und auch Ihre Haltung zu Ihrem Beruf. Gerade Lehrer neigen oft zu einem ungesunden Perfektionismus. Hinterfragen Sie eine zu hohe Rollenerwartung an sich selbst und lernen Sie Techniken, um sich bewusst von den Sorgen und Nöten anderer abzugrenzen. Bewährt haben sich auch psychohygienische Maßnahmen wie Mediationen, neurolinguistisches Programmieren oder das Heranziehen von Affirmationsbildern (z.B. Stopschild).

In der Arbeitswelt hat sich das „Pareto-Prinzip“ bewährt. Es besagt, dass mit 20 % Aufwand 80 % der Ziele erreicht werden. Um auf die perfekten 100 % zu kommen, muss ungleich viel mehr Aufwand betrieben werden. Versuchen Sie es mal: Seien Sie einmal „unperfekt“ in Ihrer Arbeit. Bereiten Sie den Unterricht oder Elterngespräche nur zu 80 % vor – dafür benötigen Sie in der Regel nur 20 % Ihrer Zeit. So sparen Sie wertvolle Zeit, die Sie für Ihre Erholung nutzen können und durch die Sie wiederum flexibel und ausgeglichen auf die 20 % Unvorbereiteten-Anteil reagieren können.

Gesundheitsförderliches Verhalten als wesentlicher Faktor für die Gesundheit

Jeder kann selbst etwas für sich und seine Gesundheit TUN. So ist eine gesunde Ernährung und ein angemessenes Körpergewicht nicht nur für die langfristige Gesunderhaltung bedeutsam, sondern auch für das tägliche Wohlbefinden. Dabei geht es weniger um eine bestimmte Ernährungsrichtung als vielmehr um eine ausgewogene, vitaminreiche Kost, die Kopf und Körper fit für den Alltag macht. Genussmittel wie Zucker und Kaffee sind nicht tabu, sollten aber in Maßen verzehrt werden und nicht Bedürfnisse nach Ruhe, Schlaf oder schönen Erlebnissen kompensieren.

Regelmäßige Bewegung ist ein weiterer Faktor für Gesundheit. Bewegung hilft nicht nur Muskeln und Knochen sowie das Herz- und Kreislaufsystem fit zu halten. Es hilft nachweislich Stress abzubauen, steigert das geistige und körperliche Wohlbefinden, verbessert die Konzentration und geistige Ausdauer und sorgt für einen verbesserten Stoffwechsel. Sport mit anderen hilft zusätzlich vom Alltag abzuschalten und schafft fröhliche Erlebnisse in der Gemeinschaft. Die positiven Effekte von Bewegung beziehen sich jedoch nur auf „gelassene“ sportliche Aktivitäten. Sehr ambitioniertes Training unter dem Fokus einer ständigen Leistungsverbesserung kann dagegen schnell zu weiterem Stressgefühl und verstärkter Unzufriedenheit führen. Bereits kleine Schritte zur Steigerung des Aktivitätsniveaus wirken sich kurz- und langfristig auf das körperliche und seelische Wohlbefinden aus. Fahren Sie – wenn irgendwie möglich – doch mit dem Fahrrad zur Schule. Das pustet den Kopf frei und baut Stress ab. Planen Sie für die Pausen „unnötige“ Wege ein und lassen Sie beispielsweise Unterrichtsmaterialien für die folgende Stunde bewusst im Lehrerzimmer. Gehen Sie bei jedem Wetter eine halbe Stunde schnell spazieren und laufen Sie beim Telefonieren durch die Wohnung.


Ein wichtiges gesundheitsförderndes Verhalten ist das Wahrnehmen von bewussten Entspannungszeiten und Pausen. Sorgen Sie für ausreichend Schlaf und planen Sie feste Zeiten der Entspannung ein. Lernen Sie ggf. eine zu Ihnen passende Entspannungstechnik, die Sie regelmäßig anwenden. Seien Sie zwischendurch immer einmal nicht erreichbar und genießen für einen Moment den derzeitigen Augenblick. Atmen Sie bewusst und schauen Sie auf sich und Ihre Gefühle. Nehmen Sie nur wahr und bewerten Sie die Situation nicht. Mindestens ein Tag in der Woche sollte vollkommen frei von Schule sein und Raum lassen für die vielen anderen Dinge des Lebens. Genießen Sie Zeit in Ihrer Familie, treffen Sie Freunde, gehen Sie Ihren Hobbys nach … All das wirkt sich kurz- und langfristig auf das subjektive Wohlbefinden aus und sorgt für ausreichende Regeneration. Trennen Sie Arbeit und Freizeit. Oft hilft es schon, die Unterrichtsvorbereitungen in die Schule zu verlegen und so eine räumliche Trennung zu vollziehen. Sollte es bei Ihnen nicht möglich sein, in der Schule zu arbeiten, dann legen Sie feste Arbeitszeiten für zu Hause fest.

In eine ausgeglichene Wochenplanung gehören Zeiten für Ihre Kinder, für Freunde, für Ihre Hobbies. Seien Sie sich stets bewusst, was Ihnen neben Ihrem Beruf auch noch wichtig ist und sorgen Sie für ein ausgeglichenes Verhältnis von Arbeit und Leben. Es zeigt sich immer wieder: Nur wenn Sie in den anderen Bereichen Ihres Lebens zufrieden und glücklich sind, können Sie Unstimmigkeiten und Stresssituationen an der Schule kompensieren und Ihr seelisches Wohlbefinden bewahren.

Führen Sie doch einmal eine Woche lang Tagebuch über Ihre täglichen Aktivitäten. Am Ende resümieren Sie: Wie viel Zeit der Woche haben Sie gearbeitet? Hatten Sie ausreichend Zeit für sich selbst, für Bewegung, Familie, Freunde, Hobbies? Wo können Sie Veränderungen vornehmen, um sich insgesamt zufriedener zu fühlen. Anschließend machen Sie sich einen Wochenplan für die kommende Woche, in der Sie feste Arbeitszeiten, aber auch Zeiten für sich selbst und für die für Sie wichtigen Lebensbereiche einplanen.

Arbeitsplatzverhältnisse als bedeutsame Gesundheitsfaktoren

Die Arbeitsverhältnisse wirken sich entscheidend auf die Gesundheit von Beschäftigten aus. Neben einer angemessenen Bezahlung und Arbeitsplatzsicherheit, spielen Arbeitszeiten, Führungsstil der Vorgesetzten, kollegiales und positives Betriebsklima sowie ergonomische Aspekte eine wesentliche Rolle.

Jede Lehrkraft kann – zumindest in einem begrenzten Rahmen – seine Arbeitsverhältnisse positiv beeinflussen und so etwas für die eigene Gesundheit tun. Achten Sie an Ihrer Schule an die Einhaltung von Arbeitszeit- und Pausenregelungen. Nach 6 Stunden müssen Sie eine halbe Stunde Pause haben, in der auch keine „Rufbereitschaft“ besteht. Dafür sollte in jeder Schule ein eigener Raum zur Verfügung stehen, der als Ruheraum von außen nicht einsehbar ist. Schalten Sie ggf. hierzu den Personalrat Ihrer Schule ein. Planen Sie aber auch selbst Ihre Arbeitstage so, dass stets ausreichende Erholungszeiten vorhanden sind – zum Beispiel an Elternsprechtagen.

Engagieren Sie sich für ein gutes Betriebsklima. Helfen Sie mit, das kollegiale Miteinander zu stärken, respektvolle und professionelle Kommunikation zu fördern und gemeinsame positive Erlebnisse zu schaffen – etwa bei einer gemeinsamen Fortbildung, einer fest implementierten kollegialen Beratung oder auch ganz einfach mit einer netten Sitzecke zum Wohlfühlen. Sprechen Sie sich selbst, aber auch Ihren Kollegen immer wieder Anerkennung für die geleistete Arbeit aus. Sie werden staunen, wie schnell sich dies auf das Wohlbefinden auswirkt.

Sprechen Sie Ihre Führungskraft an, wenn Sie sich von ihr nicht ausreichend wahrgenommen oder gar schlecht behandelt fühlen, ggf. unter Einbezug des Personalrates. Machen Sie deutlich, dass Sie ein freundliches, professionelles und respektvolles Miteinander erwarten und sagen Sie konkret, welche alternative Handlungsweise Sie sich von Ihrer Führungskraft wünschen. Ein regelmäßiges Feed-back-Gespräch zwischen der Schulleitung und Ihnen ist nicht nur vorgeschrieben, sondern sollte dazu beitragen, berufliche Perspektiven zu entwickeln. Und sollten Sie mit Ihrer Schulleitung dauerhaft massive Probleme haben, scheuen Sie sich nicht, über eine Versetzung nachzudenken. Unzufriedenheit und negativer Stress am Arbeitsplatz kann krank machen.

Belastungen im Lehrerberuf:

Lärm • Raumklima • Zeitdruck • Arbeitszeit • Zu große Klassen • Mangelnde Autonomie • Heterogenität der Schülerschaft • Wachsende Zahl von leistungsschwachen und verhaltensauffälligen Schülern • Anspruchshaltung oder problematisches Verhalten der Eltern • Wenig kollegiale Unterstützung – der Lehrer als „Einzelkämpfer“ • Geringes gesellschaftliches Ansehen • Hohe Arbeitsbelastung durch wachsende Verwaltungsaufgaben, Inklusion,… • Mangelhaftes Führungsverhalten • Wenig Karriereoptionen und alternative Berufsfelder • Psychoemotionale Belastungen

Fazit:

Jede Lehrkraft kann dazu beitragen, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden zu erhalten oder zu verbessern. Je nach Präferenzen und Persönlichkeit bieten sich dafür vollkommen unterschiedliche – zum Teil recht einfach umzusetzende – Maßnahmen an, die an dieser Stelle nur angerissen werden konnten. Gleichgültig mit welcher Maßnahme Sie anfangen und wie klein vielleicht die Veränderung sein mag, fangen Sie noch heute an und sorgen Sie für sich und Ihre Zukunft. Sie sollten es sich wert sein.

Literatur

Bauer J (2009):
Burn-out bei schulischen
Lehrkräften, Psychotherapie
im Dialog Jg. 10, H. 3, 251–255.
Hattie (2014):
Lernen sichtbar machen:
Überarbeitete deutschsprachige
Ausgabe von Visible Learning.
Schneider:
Hohengehren, 3. Aufl.
Hurrelmann K. / Richter M. (2013):
Gesundheits- und Medizinsoziologie,
Juventa: Weinheim

Dr. Meike Lierse, Gesundheitswissenschaftlerin, tätig an einer Grundschule in Hannover, Referentin für Fortbildungen im Bereich der Gesundheitsförderung
Dr. Meike Lierse, Gesundheitswissenschaftlerin, tätig an einer Grundschule in Hannover, Referentin für Fortbildungen im Bereich der Gesundheitsförderung
Füsse auf Tisch
 
 
Sport
 
 
Abb.: Hancocks „Mandala-Modell der Gesundheit“ (in: Blättner B. / Waller H., Gesundheitswissenschaft, Stuttgart 201, 83) 
Abb.: Hancocks „Mandala-Modell der Gesundheit“
(in: Blättner B. / Waller H., Gesundheitswissenschaft, Stuttgart 201, 83)
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